Das Wählsystem 22 war das erste einheitliche in Serie gebaute Wählsystem der
Deutschen Reichspost, welches damals ab 1922 bis ca. 1927 in größeren Städten im größerem Ausmaß zum Einsatz kam. Es wurden Hebdrehwähler (HDW) der Bauart Strowger von der Firma Siemens&Halske oder Autofabag eingesetzt. Die große Vermittlungsstelle (VSt) 22 kam ab 100 Teilnehmern zum tragen und war unbegrenzt erweiterbar in Bezug auf die Teilnehmeranzahl. Es war ein Vorwählersystem und es wurden Gruppenwähler (GW) und Leitungswähler (LW) eingesetzt. Ebenfalls gab es für den Einsatz auf dem Lande, wo die Teilnehmerdichte meist 100 Anschlüsse nicht überschritt, eine Kleinvermittlungsstelle 22 mit einem Maximalausbau von 100 Fernsprechanschlüssen. Das Wählsystem 29 ist eine Weiterentwicklung des Systems 22 und 27, in welchem ein verkleinerter und verbesserter HDW zum Einsatz kam. Dieser Wähler nennt sich HDW 27.
Auf der rechten Seite in unserer Ausstellung ist eine Gestellreihe mit einer Hundertergruppe (100 Teilnehmer) in Mischbauweise aufgebaut bestehend aus 80 Vorwählern (VW) System 22 und 20 VW System 29, einem Einzelrahmen mit 2. VW 22, einem Einzelrahmen 1. Gruppenwähler (GW) 22, einem Einzelrahmen 2. GW Bauart 22, einem Einzelrahmen Leitungswähler (LW) Bauart 22, zwei LW 29 zu den 1. VW 29, eine Gemeinschaftsübertragung 1/10 und ein Ruf- und Signalmaschinenrahmen mit zwei RSM 30 von Siemens & Schuckert. Im nebenstehenden Bild sind zwei Hebdrehwähler der Bauart Strowger von Siemens & Halske zu sehen.
Die Wählsysteme 22 und 29 sind sogenannte Vorwählersysteme, d.h. jedem Fernsprechteilnehmer ist ein solcher mit den dazugehörigen R- und T-Relais nebst Gesprächszähler zugeordnet. Im nebenstehenden Bild sind drei 1. VW 22 mit den Relais abgebildet. Dieser hat die Aufgabe nach Abheben des Hörers einen freien Eingang ins Wählsystem zum 1. Gruppenwähler zu suchen. Der 1. GW wertet die erste Ziffer der Rufnummer aus und gibt die nachfolgenden Ziffern an die nachfolgenden Wahlstufen weiter. Er veranlasst ebenfalls die Gesprächszählung.
Unser Wählsystem 22/29 ist für vierstellige Rufnummern ausgelegt, d.h. der 1. GW wertet die erste, der 2. GW die zweite und der LW die dritte und vierte Ziffer der Rufnummer aus. Dieses System ist ein direkt gesteuertes System. Das bedeutet, man steuert die GW und LW direkt mit dem Nummernschalter (der „Wählscheibe“). Die hier verbauten HDW sind sogenannte Schrittschaltwerke, da sie mit Elektromagneten ausgerüstet sind und somit das bewegliche Einstellglied bei jeder Betätigung des Elektromagneten um einen Schritt weitergeschalten.
Die Komponenten unseres Wählsystems 22 stammen aus Halle/Saale (1. VW, 2. GW und LW) und aus Zittau/Oberlausitz (1. GW) und waren bis ca. 1995 in Betrieb. Die 2. GW und LW aus Halle/Saale sind Bauart 22, d.h. diese Technik kam schon ab 1916 zum Einsatz, wurde aber von 1938 bis 1944 von Siemens&Halske auf das System 22 angeglichen.
Eine Besonderheit sind die zusammenhängenden a/b-Schaltarme, die die Sprechadern durchschalten.
Im Normalfall besitzt jedes Kontaktfeld 10×10=100 Kontakte für c-Ader (Prüfader), b-Ader und a-Ader (Sprechadern). Hier hat das Kontaktfeld der c-Ader 10×10 Kontakte, jedoch das zusammenhängende a/b-Kontaktfeld jeweils 5×10= 50 Kontakte.
Im nebenstehenden Bild ist ein Kontaktfeld mit zusammenhängenden a/b-Adern nebst Schaltwelle des Wählers mit den Schaltarmen zu sehen.
Oben das c-Ader-Kontaktfeld, in der Mitte das a/b-Kontaktfeld der geraden Dekaden und unten das a/b-Kontaktfeld der ungeraden Dekaden.
Einen Kurzfilm über den Einstellvorgang eines Siemens-Strowgerwaehlers sehen Sie hier.
Im rechten Bild wird eine Nahaufnahme von einem Vielfachsegment mit einem zusammenhängenden a/b-Schaltarm gezeigt.
Der obere Kontakt führt die a-Ader, der untere Kontakt die b-Ader.
Zwischen beiden Kontakten befindet sich eine Pertinax-Isolierung.
Eine Nahaufnahme der Schaltwelle beim Einstellvorgang können Sie hier betrachten.
Eine weitere Besonderheit des Hallenser Systems sind die steuerschalterlosen LW.
Der Steuerschalter war ein Schaltglied im LW-Relaissatz, welches Steuerungsaufgaben des Wählers übernahm, um Relais einzusparen.
Dieses System kam von Anfang an ohne diesen Steuerschalter aus, hier haben die Relais diese Aufgaben übernommen.
Das rechte Bild zeigt einen offenen Relaissatz aus diesem System.
Man erkennt dort sehr schön die Rundrelais aus dem Jahre 1916.
Im nebenstehenden Bild sind unsere 1. VW 29 dargestellt.
Man kann sehr gut den Größenunterschied zu den o.a. 1. VW 22 erkennen.
Diese Vorwähler nehmen wesentlich weniger Raum ein, eine erhebliche Platzersparnis.
Wo beim System 22 ein Gestell à 100 Teilnehmer Platz fand, konnten nun zwei Gestelle à 100 Teilnehmer untergebracht werden.
Rechts im Bild sieht man unsere Leitungswähler 29 mit Durchwahl.
Diese sind für Einzelanschlüsse und zur Ansteuerung unserer Gemeinschaftsanschlüsse 1/10 vorgesehen.
In der Mitte des Bildes ist das oben beschriebene Steuerschalterschaltwerk zu sehen.
Die Arbeitsweise des LW 29 mit Steuerschalter können Sie in einem Kurzfilm hier sehen.