Um 1900 wurde die Anschlussdichte in den Großstädten so groß, dass sie kaum noch von der Handvermittlung bewerkstelligt werden konnte. Man dachte über die Automatisierung des Verbindungsaufbaus in den Ortsämtern nach. Der entscheidene Anstoß für die Deutsche Entwicklung kam aus den Vereinigten Staaten von Amerika, wo 1892 in La Porte, Indiana das erste automatische Wählamt der Welt durch die Strowger-Company in Betrieb genommen wurde.

In Deutschland wird am 21. Mai 1900 die erste Vermittlungsstelle für Selbstwählbetrieb mit 400 Anschlusseinheiten zu Versuchszwecken bei der Reichstelegrafenverwaltung in Berlin eingerichtet. Die Anlage wurde aus amerikanischen Material von der Strowger Automatic Telephone Exchange Co. erbaut und war nicht an das öffentliche Netz angeschlossen. Die Reichstelegrafenverwaltung (RTV) erwarb im Jahre 1901 die Rechte an den Strowger-Patenten. Die wichtigsten Entwicklungen des Strowger-Systems waren schon abgeschlossen, als die RTV auf diese Technik zugriff.

1903 wurde die zweite Versuchsanlage für Selbstwählbetrieb für 1000 Anschlusseinheiten mit Material aus den USA erbaut. Die neue Anlage war nach dem 10.000er System (vierstellige Rufnummern) aufgebaut und für 1000 Anschlüsse ausgelegt. Eine Verbindung von dieser Versuchsanlage zum öffentlichen Fernsprechnetz in Berlin ist nicht möglich.

Die erste öffentliche Vermittlungsstelle mit Wählbetrieb in Europa wurde am 10. Juli 1908 in Hildesheim mit 900 Teilnehmern in Betrieb genommen, nachdem die in den Jahren 1900 und 1903 aus amerikanischen Material errichteten Versuchsanlagen in Berlin für den nichtöffentlichen Verkehr von Dienststellen der damaligen Postverwaltung erprobt worden waren. Diese Einrichtung arbeitete nach dem Ortsbatteriesystem. Die Stromversorgung erfolgte dezentral beim Teilnehmer mit einer kleinen Batterie neben dem Fernsprecher.

Die erste automatische Vermittlungsstelle mit Zentralbatteriebetrieb folgte 1909 in München-Schwabing, damals noch Königreich Bayern bei der königlich bayerischen Post- und Telegrafenverwaltung.

1913 ging in Dresden das größte Wählamt Europas mit 14.000 Teilnehmern in Betrieb. 1916 folgten Anlagen in Halle/Saale und Leipzig,

In der Anfangszeit wurden die Verbindungen halbautomatisch hergestellt. Der Teilnehmer gab dem „Fräulein vom Amt“ die gewünschte Rufnummer durch. Diese hat die Vermittlungskraft in einen Zahlengeber eingetippt und wurde von diesem automatisch gewählt. Dieser Zwischenschritt war erforderlich, weil die große Anzahl der benötigten Fernsprecher mit Nummernschalter (Wählscheibe) nicht sofort bereit gestellt werden konnte.

1922 wurde das erste einheitliche serienmäßig produzierte Wählsystem, genannt System 22, bei der Deutschen Reichspost eingeführt. Rechts oben sehen Sie ein Bild dieses Systems in unserer Ausstellung.

Hauptbauteile dieser Einrichtungen waren die sogenannten „Wähler“.

Wähler sind Schaltglieder, die die vom Fernsprechteilnehmer mittels eines Nummernschalters gewählten Ziffern der Rufnummer auswerten und die gewünschte Gesprächsverbindung herstellen.

Herzstück unserer Sammlung ist eine Vermittlungsstelle mit Komponenten aus den Wählsystemen 22, 29, 31a, 34, 50 und 55v (die Zahlen stellen das Ersteinführungsjahr bei der Deutschen Reichspost und ihren Nachfolgeorganisationen da, z.B. 22 = 1922).

Die Anlage hat eine Aufnahmekapazität von 300 Anschlüssen.

Es sind alle erforderlichen Wahlstufen für den Betrieb einer Vermittlungsstelle mit vierstelligen Rufnummern vorhanden.

In den nachfolgenden Artikeln soll auf die ausgestellten Systeme und Zusatzkomponenten eingegangen werden.

Für eine detaillierte Beschreibung der Wählsysteme mit zum Teil annimierten Stromläufen empfehlen wir die Web-Site von Johann Hartl www.bayern-online.com

Im nebenstehenden Bild ist das Wählsystem 50 zu sehen.

Das Bild auf der rechten Seite zeigt das Wählsystem 55v in unserer Ausstellung.